Alexander Heine, Geschäftsführer der CM Logistik GmbH, ordnet den Rückstand deutscher Containerhäfen im internationalen Vergleich ein, warnt jedoch vor blindem Aktionismus: „Krise, Stillstand, Chaos – die Corona-Pandemie hat die deutsche wie internationale Logistik fraglos ordentlich durchgewirbelt. Doch kristallisierte sich Anfang des Jahres, als sich der Sturm gelegt und die See namens ‚Binnenhandel‘ etwas beruhigt hatte, relativ schnell heraus, dass einige Branchenplayer die Extremsituation besser wegstecken konnten als andere. Vor allem der vor der Pandemie bereits enteilte Hafen von Rotterdam lässt die deutsche Konkurrenz auch in der Disziplin ‚Krisenbewältigung‘ auf der Siegerstraße hinter sich.“
So wurden beim niederländischen Vorreiter im Jahr 2021 bereits wieder genauso viele Güter umgeschlagen wie im Prä-Covid-Jahr 2019.1 Die umsatzstärksten deutschen Häfen hingegen – Hamburg2 und Bremerhaven3 – konnten zwar das Seuchenjahr 2020 übertreffen, an das vorherige Niveau jedoch nicht im Ansatz anknüpfen. Ein weiterer Wettbewerbsnachteil in einem Rennen, das ohnehin bereits zugunsten der Konkurrenz entschieden schien. Doch wie kommt dieser Unterschied bei der Resilienz im Vergleich zu unserem direkten Nachbarn zustande?
Guter Rat ist ‚neuer‘
Zuständige Beobachter der deutschen Wirtschaft gingen auf die in diesem Fall zwingend notwendige Ursachenforschung. So analysierten die Handelskammern Hamburg und Bremen die Situation des deutschen Binnenhandels und trugen ihre Erkenntnisse in einem Positionspapier zusammen. Daraus ließen sich nun die einzelnen Forderungen – wie beispielsweise eine Senkung von Lotsabgaben oder die gemeinsame Organisation internationaler Häfen unter dem Dachverband des Mutterkonzerns – herauspicken und bewerten, doch reicht auch ein Blick auf die Quintessenz des Dokuments, zusammengefasst in drei Schlagworten: Modernisierung, Digitalisierung und Automatisierung. Buzzwords, die in jedem Lebensbereich sowie jeder beruflichen Branche umhergeworfen werden und für Erneuerung stehen sollen, doch nur höchst selten auch nachhaltig mit Leben gefüllt werden. Welche enormen Potenziale in der strikten Umsetzung technologischen Fortschritts liegen, beweist abermals der Port Rotterdam. Dessen Transformation zum intelligentesten Hafen der Welt begann allerdings schon vor knapp vier Jahren, was bedeutet, dass deutsche Pendants – wie bei Digitalisierungsfragen mittlerweile in guter Tradition – die Zeichen der Zeit zu spät erkannten.
Nicht den Kopf verlieren
Es mag dem Positionspapier wohl niemand widersprechen, wenn es heißt, dass große Anstrengungen unternommen werden müssten, um die Effektivität beim Umschlag zu steigern. Doch kommt es ganz eindeutig darauf an, wie die deutschen Häfen diesen Kampf um den internationalen Anschluss nun angehen: Wer alles in die ersten Schläge legt, vergisst, dass er noch zwölf Runden im Ring durchhalten muss, und riskiert einen K.o. in der ersten Runde. Der Schaden namens ‚Rückständigkeit‘ ist angerichtet und im Hauruck-Prinzip nicht mehr zu kitten. Bedachte Entscheidungen mit Weitblick können den Abstand über die Jahre vielleicht noch einmal verkürzen, und auch wenn das Brennglas Pandemie die Probleme nochmals deutlicher offengelegt hat – momentan nutzt der neidische Blick auf die Umschlagzahlen Rotterdams niemandem etwas. Das Positionspapier der Handelskammern ist ein Fingerzeig, dass die Probleme verstanden und korrekt analysiert wurden. Nun kommt es auf eine besonnene Umsetzung an, um die deutschen Häfen wieder auf die internationale Landkarte zu bringen. Auf den Punkt gebracht: Aktion ist erwünscht, Aktionismus zu vermeiden.
Weitere Informationen unter www.cm-log.eu.
2 https://www.hafen-hamburg.de/de/statistiken/seegueterumschlag/