Das Bundeskabinett hat am 20. Januar 2021 Neuregelungen im Verpackungsgesetz beschlossen. Sie betreffen Mehrweg bei Take-away sowie Pfand und Mindestrezyklatanteil bei Einwegkunststoffgetränkeflaschen. Während der politische Wille in der Novellierung deutlich sichtbar wird, bleibt die ökologische Sinnhaftigkeit nach Ansicht des Deutschen Verpackungsinstituts e.V. (dvi) an vielen Stellen fraglich.
Denn Mehrweg ist nicht grundsätzlich nachhaltiger als Einweg. Und beim Einsatz von Rezyklat gibt es größere Baustellen, als den Getränkebereich. Wichtiger als imagegetriebene Beschlüsse zu Mehrweg und Pfand wäre die Konzentration auf Kreislauffähigkeit. Doch davon ist viel zu wenig zu spüren.
Nach Ansicht von Kim Cheng, Geschäftsführerin des dvi, geht „die Novellierung des Verpackungsgesetzes an vielen Stellen am Kern des Umweltproblems vorbei. Wir haben im Dezember 2020 gemeinsam mit dem WWF eine repräsentative Umfrage zu den Themen Pfand und Mehrweg für Take-away durchführen lassen“, so Cheng. „Dabei hat sich gezeigt, dass die Pfandbereitschaft im Getränkebereich außerordentlich hoch ist. Bei Behältnissen für Take-away und Lieferdiensten haben die Bürger jedoch deutlich andere Präferenzen als Mehrweg. Im Mittelpunkt steht hier die Kreislauffähigkeit. Damit zeigen die Bürger mehr Verständnis für nachhaltige Lösungen, als die aktuelle Novellierung des Verpackungsgesetzes.“
Mehrweg
Ab 2023 sind Betriebe, die Essen oder Getränke außer Haus verkaufen, verpflichtet, für ihre Produkte auch Mehrwegverpackungen anzubieten. Dabei darf die Mehrwegvariante nicht teurer sein, als die entsprechende Einweglösung. Ausgenommen sind nur Betriebe, in denen maximal fünf Beschäftigte arbeiten und deren Ladenfläche 80 Quadratmetern nicht übersteigt. Sie werden allerdings verpflichtet, Behälter zu befüllen, die Kunden selber mitbringen.
In der repräsentativen Umfrage von Dezember 2020 hatte sich eine Mehrheit von 51,1 Prozent der Befragten für recyclingfähige Einweg-Behälter aus Recyclingmaterial ausgesprochen. Für Cheng zeigt das Ergebnis, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher den Sinn und Zweck von Kreislaufwirtschaft verstanden haben. „Kreislaufwirtschaft muss der zentrale Aspekt eines nachhaltigen Umgangs mit Verpackungen sein. Es geht darum, die Materialien im Kreislauf zu behalten. Sie sind wichtige Sekundärrohstoffe, in deren Produktion viel ökologischer Aufwand steckt. Der darf nicht verloren gehen. Mehrweglösungen können dabei durchaus vorteilhaft sein. Ob sie jedoch wirklich ökologische Vorteile generieren, muss im Einzelfall überprüft werden. Denn eine Mehrwegverpackung muss nach Gebrauch gereinigt werden. Hier fallen Transportwege und der Einsatz von Energie, Wasser und gegebenenfalls Chemikalien an. Je nachdem, wie groß dieser Aufwand ist, rechnet sich eine Mehrwegvariante – oder eben auch nicht. Wichtig wären deshalb Entscheidungen auf der Grundlage von Fakten, am Besten im Rahmen einer Ökobilanz für das jeweilige Anwendungsfeld. Entscheidend bleibt in allen Fällen, dass die Verpackung kreislauffähig ist und so viel recyceltes Material wie möglich verwendet.“
Pfandpflicht
Ab 2022 wird nach der Novellierung des Verpackungsgesetzes ein Pfand auf alle Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff sowie auf alle Getränkedosen verpflichtend. Bisher geltende Ausnahmen für Fruchtsäfte und Mischgetränke entfallen. Bei Milcherzeugnissen gilt eine Übergangsfrist bis 2024.
„Hier trifft die Novellierung eindeutig den Willen der Konsumentinnen und Konsumenten“, erklärt Cheng. „In unserer Dezemberumfrage haben sich 72,6 Prozent der Befragten für eine grundsätzliche Pfandpflicht auf alle Einweg-Getränkeflaschen und -Dosen unabhängig vom Inhalt ausgesprochen. Nur 4,8 Prozent der Befragten sehen in einer Ausweitung von Pfand keinen Sinn.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich laut der Umfrage 40,2 Prozent Pfand auch für Hygiene- und Körperpflegeverpackungen vorstellen können. 39,2 Prozent sehen dies auch bei Wasch- und Reinigungsmitteln, 33,7 Prozent bei Obst- und Gemüseverpackungen.
Rezyklatanteil
Ab 2025 müssen nach Maßgabe der Novellierung PET-Getränkeflaschen aus mindestens 25 Prozent Recyclingkunststoff bestehen. Ab 2030 gilt eine Quote von mindestens 30 Prozent, die dann zudem für alle Einweg-Kunststoffflaschen gilt. Hersteller können selber entscheiden, ob diese Quote pro Flasche oder in Bezug auf die jährliche Gesamtmenge aller Flaschen gilt.
Für das dvi bleiben bei dieser Regelung wichtige Handlungsfelder unadressiert. „Getränkeverpackungen sind volumenstark, der weitaus größere Teil unserer täglich benötigten Verpackungen fällt jedoch in den Bereich Nahrungsmittel. Hier wäre der Einsatz von kreislauffähigem Rezyklat ökologisch besonders interessant. Aber dafür fehlen nicht zuletzt die politischen Rahmenbedingungen“, so Kim Cheng. „Technologisch stünden schon weitaus mehr Rezyklatlösungen bereit, als aktuell eingesetzt werden. Für den Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien gibt es, aus gutem Grund, besonders hohe Anforderungen. Sie müssen durch den Gesetzgeber für den Einsatz freigegeben werden. Und daran hapert es noch immer. Die Politik könnte hier wichtige Impulse setzen, indem sie mehr Rezyklat für den Einsatz im Lebensmittelbereich freigibt. In vielen Fällen hat die Industrie die Unbedenklichkeit in eigenen Tests bereits dokumentiert. Hier muss der Gesetzgeber dringend nachziehen.“