Bis zu 7 mal. So lautete bis dato die einhellige Antwort auf die Frage nach der maximal möglichen Anzahl der Recyclingzyklen von Papierfasern. Als Gründe für diesen begrenzten Zyklus wird in der Literatur – neben Qualitätseinbußen und Festigkeitsverlusten – vor allem die Verkürzung der Fasern mit jeder neuen Recyclingstufe genannt. Die Fasern würden die Fähigkeit verlieren, sich zu einem „Blatt“ zu verbinden, zu kurze Fasern würden schließlich aus dem Produktionsprozess ausgeschieden.
TU Darmstadt widerlegt Mythos
Neueste Untersuchungen1 der TU Darmstadt zum Faserlebenszyklus von Primär- und Sekundärfasern widerlegen nun diesen begrenzten Lebenszyklus.
Die bekannte, vereinfachte Aussage, dass Kartonfasern bis zu 7-mal recycelt werden können, greift zu kurz. Sie bezieht sich auf Massenbilanzierungen bzw. darauf, dass Mengenverluste auftreten, da nicht alle Papierprodukte einem stofflichen Recycling zugeführt werden können. Bei jeder Aufbereitung entstehen Faser- und Feinstoffverluste. Nur im Laborversuch kann die exakte, technologisch mögliche Zyklenanzahl von Fasermaterial bestimmt werden, sind doch im realen Altpapier stets Mischungen von Fasern unterschiedlichen und unbekannten Alters enthalten.
Im Laborversuch wurden daher Mehrfachrecyclingversuche vorgenommen: Selbst nach 25 durchgeführten Recyclingzyklen konnte keine weitergehende signifikante Veränderung von Faserlänge und Festigkeitseigenschaften festgestellt werden. Die Herausforderung unter Realbedingungen liegt in der Abtrennung von kartonfremden Verunreinigungen und Störstoffen unter Minimierung der Faserverluste.
Schonung der Umwelt
Für eine nachhaltige Verpackungswirtschaft ist Recycling unverzichtbar: Der Kreislauf wird geschlossen und erhöht den Lebenszyklus von Holz innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette um ein Vielfaches. Fasern, die lange im Kreislauf gehalten werden, schonen die Umwelt, da der Rohstoff auf diese Weise optimal genutzt wird. Das Potenzial von Altpapier wurde somit lange unterschätzt. Altpapier ist ein noch wertvollerer Rohstoff als vermutet. Er kann wiederverwertet werden, immer und immer wieder.
Versuchsanordnung
Ausgangsmaterial für die Durchführung der Mehrfachrecyclingversuche war eine Wellpappenrohpapiermischung (20 % Frischfaser-, 80 % Recyclingfaseranteil), die sich am Verbrauch der deutschen Wellpappenindustrie orientierte. Im Labor erfolgte eine Zerfaserung und Blattbildung. Das gesamte für die Papierprüfung eingesetzte Probematerial wurde nach den Messungen jeweils wieder in den nächsten Zerfaserungsschritt zugeführt – ohne Zugabe von Primärfasern. Nach geringfügigen initialen Qualitätsverlusten konnten bei bis zu 25 Recyclingzyklen keine weiteren signifikanten Veränderungen von Faserlängen bzw. Faserfraktionsanteilen festgestellt werden. Für alle relevanten Festigkeitsgrößen wurden nur geringe Abnahmen in einer Größenordnung von 5 % bis 12 % festgestellt. Bis Ende 2019 werden weitere Untersuchungen zum Mehrfachrecycling durchgeführt.
1 Putz, Hans-Joachim / Schabel, Samuel: Der Mythos begrenzter Faserlebenszyklen. Über die Leistungsfähigkeit einer Papierfaser. In: Wochenblatt für Papierfabrikation. 6/2018, S. 350-357